Auf der Wiener Kärntnerstraße
vor dem Cafe Europa
vor 40 Jahren
ist er mir erstmals aufgefallen:
ein junger Mann
mit schwarzem Haar
und markantem Gesicht
der dort Spielzeugfiguren verkaufte
kleine Marionetten an Schnüren
und mit einigem Charme
Kinder wie deren Mütter dafür interessierte.
Er fand damit offensichtlich das Auslangen
denn er blieb dabei
Jahr für Jahr.
Und immer wenn ich durch diese Straße flaniere
mit jambisch-drängendem Schritt
dabei meine Texte skandiere
im Takt der Schritte
im Rhythmus der Stadt
sie swingend repetiere
nehme ich diesen Straßenverkäufer zur Kenntnis
als festes Datum
ohne ihn im Besonderen zu beachten
oder ins Gesicht zu sehen
– ich habe sein Bild ja unverändert im Kopf.
So sind jetzt vierzig Jahre vergangen
auch heute steht er auf seinen gewöhnlichen Platz
wenn auch das Cafe Europa nicht mehr existiert
doch diesmal blicke ich ihm erstmals wieder ins Gesicht.
Und sehe einen Fremden.
Ein alter Mann mit markanten Gesichtszügen zwar
schlank noch, doch ein alter Mann.
Und erst auf den zweiten Blick erkenne ich ihn:
es ist der junge Mann von einst.
Ein Erschrecken, ein Erschauern beinah
so klar habe ich Zeit noch nie gesehen.
Erstmals rede ich mit ihm
danke ihm für diese Erfahrung
(geschrieben gestern, in einem Straßencafe auf der Kärtnerstraße)