Venedig, Marina SantElenA
muss das Boot einwintern
vom Deck der „Katawa“ also:
Herfried Münklers Marx. Wagner. Nietzsche.
Welt im Umbruch, Berlin 2021,
hat mich jetzt 3 Wochen beschäftigt.
Münkler, Professor für Politikwissenschaft in Berlin
ist ein Schwergewicht, so auch dieses Buch .
Die 3 zitierten Herren sind gemeinsam europäisches Erbe
entstanden zwischen Revolution 1848, Das Kapital I 1867, Reichsgründung 1871, Ring-Uraufführung 1876
und Zarathustra 1883.
Köstlich, wie diese 3 veritablen Revolutionäre von 1848
– der eine ökonomisch-gesellschaftlich
der andere künstlerisch, der dritte philosophisch
– sich danach entwickeln:
Marx schreibt vom „Bayreuther Narrenfest“
fürs Philisterpack des „Staatsmusikers Wagner“ und vom
„geilen Göttern als gehobenes Vergnügen für Kulturphilister“
und Nietzsche, der mit seinem Frühwerk Die Geburt der Tragödie
und seinem Geraune vom „rauschhaft-Dionysischen“,
das an der Dominanz des intellektuell-apollinischen
zugrunde gegangen sei, für Wagner eingetreten war
und damit seinen Ruf als Professor für Klassische Philologie
in Basel riskiert hatte und schließlich schrieb:
Mit dem Parzifal sei Wagner
„vor dem christlichen Kreuz niedergesunken“ ….
ganz zu schweigen von Wagners Erlösungsgeschwurbel
und seinem in Schriften geäußerten, bösartigen Antisemitismus …
und Nietzsche, letztlich mit seiner Anbetung
der von den „Allzuvielen“ sich abhebenden Eliten
und seiner „Höherzüchtung des Menschen“ zum Übermenschen,
was nach dem „Tod Gottes“ dessen einziger Sinn sei …
dagegen Marx mit seiner Rationalität,
die des Schwungrads der Entfaltung der Produktivkräfte bedürfe,
als Prometheus, der den Menschen das produktive Feuer bringt …
Bei allen dreien geht die Bourgeoisie zugrunde:
bei Marx an der Umwälzung der Produktivkräfte,
bei Wagner an ihrer feudalaristokratischen Lebensweise
die ihre vertragliche Herrschaftsordnung ruiniert hat,
bei Nietzsche ist der Mensch etwas, „das überwunden werden muss“ – auf dem Weg zum Übermenschen …
Aber mit Feuerbach sind sie sich einig:
Es kommt nicht darauf an, die Welt verschieden zu interpretieren, sondern darauf, sie zu verändern.
Und das haben sie.