LOGBUCH: KATAWA -IN 12 TAGEN DURCH 4 MEERE

Publiziert in OCEAN7, Nr. 9 /2007

Alfred Zellinger

KATAWA -IN 12 TAGEN DURCH 4 MEERE

LOGBUCH TEIL I
LIGURISCHES MEER / RAPALLO – ROM

30.4.07 Montag
Mein Boot, die KATAWA, liegt in Rapallo, einem der schönsten Plätze an der Ligurischen Küste zwischen Chiaveri und Portofino – gegliederte Küstenlandschaft, eine lebendige Stadt, ein Strand mitten im Zentrum, gute Hotels, gewachsene, nicht nur touristische Architektur, zahlreiche Restaurants, eine großzügige, gut bewachte Marina mit vielen guten Yachten. (Die Lage und die Nähe zu den wohlhabenden Bootseignern von Milano und der Schweiz lässt man sich hier bezahlen: für einen Liegeplatz, der etwa in Triest oder Pula  5000 Euro im Jahr kostet, rechnet man hier 18.000 Euro)

Den ersten Capuzzino in der Marina-Bar; treffen Andrea Costa, einen Mailänder Industriellen, der uns Besonderheiten dieser Küste erläutert, dann Lebensmittel bunkern, den Mietwagen von Sixt, mit dem ich gestern die Crew samt Ausrüstung von Wien hergebracht habe,  beim lokalen Büro abgeben, Signore Petrelli von der Unicreditfiliale in Rapallo lädt uns noch auf einen Espresso ein…

Mein Ziel ist, die KATAWA subito in die Adria zu überführen, wo ich sie noch im Sommer für Törns in der Nordadria nutzen möchte, im Oktober will ich dann mit ihr bei Trogir um den Business Cup fahren. In der Marina Veruda ist ein Platz reserviert.
Die KATAWA ist eine Grand Soleil 46.3 der Werft Cantiere del Pardo; habe sie ausgesucht nach Design und Geschwindigkeit, lange die verschiedenen Yardstick- bzw. ORC-Listen verglichen, die GS 46.3 dürfte eine der schnellsten Kreuzeryachten sein. Diese hier ist die „scharfe“ Version, mit höherem Mast und tieferem Kiel ausgestattet; dazu das – sonst nur optional erhältliche- innere Vorstag (bei schwerem Wetter ein Sicherheitsfaktor), sowie eine am Babystag zu setzende Sturmfock, weiters mit –ebenfalls optionalen- Backstagen…

Mein Bruder Christoph spielt den Skipper, von der Regattamannschaft ist Harry Huber an Bord.

1245 Ablegen von der Marina RAPALLO.
Praktisch vor unseren Augen ein Kollision von 2 Yachten unter Motor, deren eine den Mast dabei verliert; keine Hilfe nötig.
Wind S mit 1 Bft., Bewölkung 7/8, 25 Grad, laufen unter Motor  mit 7 Knoten.
Loggestand 1671, stellen fest, dass das Schiffslog nicht funktioniert; nur GPS Log in Funktion.
1445, Wind frischt auf, 10 Kn SW, segeln unter Genua und verminderter Motordrehzahl, SOG 7,5 Kn.
1530 Wind flaut ab, bergen die Genua, mittlerweile ist es bedeckt, ab 17h setzt leichter Regen ein.
1800 nehmen wir mit verminderter Geschwindigkeit die Passage zwischen dem Festland und der Insel Palmaria, geringste Wassertiefe 3 Meter, passieren die malerische Stadt PORTOVENERE, fahren am militärischen Sperrgebiet vorbei weiter in die Bucht von LE GRAZIE, wo um 18h30 der Anker fällt.
Kochen ist am Programm: Penne al’Arabiata. Beginnen die Musikanlage zu installieren, etwa 600 Watt über 4 Lautsprecher, 2 im Salon, 2 draußen wobei die Backskisten als Resonanzkörper dienen.

1.5.07. Dienstag
Tagwache 0500; Anker auf um 0515, noch in der Morgendämmerung unter Motor bei Windstille aus der Bucht. Der Ankerschäkel klemmt in der Winsch, wir benötigen eine halbe Stunde um ihn klar zu kriegen; werde den Schäkel durch einen Ankerwirbel ersetzen..
Kurs 145, wolkenlos, mittlere Sicht, 15 Grad.
Von 1000-1100 unter Genua und Motor bei leichtem SO, dann Genua wieder gestrichen.
„Reparatur“ des Loggs -es war einfach ausgehängt; seit gestern etwa 60 Meilen gefahren.
Ausweichkurs vor Untiefen im Raum Pisa, Livorno.
Unter Motor mit 6,4 Kn.
1136: Kurs 167 auf Elba-Portoferraio.
12h Genua gesetzt bei leichtem, thermischen NO, Geschwindigkeit erhöht auf 7 Knoten.
1445 setzen Groß, 1500 Motor zusätzlich, 1600 bergen Segel, kein Wind.
1900 Anlegen im alten Hafen von PORTOFERRAIO auf ELBA, Heck zur Mole, Bug an Muring.
Log: 1721 SM
Motor: 404 Betriebsstunden
Essen im Cockpit an der Mole, inmitten des Hafenlebens.

Spaziergang zur Festung hinauf, dann zur Villa in der Napoleon gefangen gehalten wurde: eine subtile Folter für ihn: von dort hatte er den Blick an klaren Tagen übers Meer bis Korsika, von wo aus er aufgebrochen war, die Welt zu erobern.

2.5.07 Mittwoch
Zum Marinabüro Liegeplatz bezahlen; 10h Tanken im Hafen, gehen an einem Trawler längsseits, der ebenfalls betankt wird: 100 Liter plus 25 Liter für den Reservekanister.

1030 Auslaufen aus dem Hafen von Portoferraio. Beschließe, diese Stadt wieder zu besuchen wenn ich mehr Zeit habe und  wieder im alten Hafen anzulegen; die eigentliche Marina liegt etwas außerhalb der Altstadt, von ihr durch ein unattraktives Industriegebiet getrennt.
Bewölkt, 20 Grad. Wind 10 NNO Kn, setzen außerhalb des Hafens zum Motor die Segel, abschwellende Dünung.
Kurs 134, Richtung Isola del Giglio und Porto St. Stefano; ca 6,5 Knoten; passieren die Landenge gegen 18h, kontrollieren die Tiefe, lt. Handbuch sollte die geringste Wassertiefe immer mindestens 2,4 Meter sein, das Lot zeigt nie unter 3 Meter.
Einlaufen in PORTO HERCOLE um 1815, kein freier Platz auszumachen, lt. Hafenhandbuch sollte man sich hier telefonisch anmelden, die angegebene Nummer ist jedoch außer Betrieb.
Fahren weiter in die nur wenige Kabellängen entfernte Marina CALA GALERA, wo wir um 1845 mit Heck zum Steg, Bug an Muring anlegen.
Log 1775 SM
Eine große elegante, gut bewachte Marina, sportliche Schiffe. Liegeplatz offenbar für viele Römer, es ist die erste Marina von Rom aus gesehen in landschaftlich reizvoller Lage. Spaziergang durch die Marina, suchen vergeblich einen kurzen über die Anhöhe führenden Weg nach Hercole. Früh schlafen.

3.5.07 Donnerstag
Vor dem Auslaufen Kontrolle des Motoröls.
0610 Ablegen bei Nieselregen, 18 Grad, bedeckt, Südwind mit 15 Knoten. Motor.
Eine Wetterfront holt uns ein, es wird ungemütlich, sichern das Groß mit der Persenning, Stampfen des Bootes in ansteigender Dünung, wie ein Ritt auf einem wilden Büffel –allerdings nicht Minuten sondern 2 Stunden lang. Segeln ist sicher die stilvollste, wenn auch teuerste Methode, klatschnass zu werden.
8h30 lockert die Bewölkung wieder auf, der Wellengang nimmt ab, weiter unter Motor etwa 5 Meilen von der Küste.
Passieren Civitavecchia gegen 11h, laut Handbuch keine einladende Marina, kein Wunder: massiert Industrie, Energie.
1645 Einlaufen in die Marina PORTO DI ROMA, bei der Einfahrt beträchtliche Kreuz- und Grundseen zugleich, vor denen im Handbuch gewarnt wird.
Man weist uns Pontile N, Box 858 zu.
Log: 1838, 63 Meilen gefahren.
Motor: 420 Laufstunden.

In der Marinadirektion eine hübsche, schwarzhaarige junge Frau, die mich fragt, ob ich vorhabe, Rom zu besichtigen und fügt hinzu, sie liebe Rom. Kapiere wieder einmal nicht schnell genug und statt sie einfach für den Abend nach Rom einzuladen, unterhalte ich mich nur unverbindlich weiter.
Einkaufen im Marinezubehörgeschäft, Bootsmannsstuhl, Stecker, Kabel, Glühbirnen für die Positionslampen.
Essen an Bord, Abends noch durch die weitläufige, großzügig ausgestattete, aber jetzt in der Vorsaison nahezu menschenleere Marina, einzig bei McDonalds einige Gäste.

Lese wieder die Odyssee, die mich mein Leben lang begleitet und die meine europäische Identität prägte…und den Gesang der Schiffer nehmen die Wellen auf, tragen sie zur Küste; so entsteht Geschichte, so entstehen Mythen, so werden diese weiter gegeben. Die Odyssee wird erzählt von einer Haventaverne zur nächsten, Homer war nicht selbst Segler, aber er hat mit den Seemännern seiner Zeit gesprochen. Seine navigatorischen Angaben entsprechen der Realität, sind plausibel.

4.5. 07 Freitag
Die Nacht über stürmischer Wind aus Süd mit Böen bis 80 Kmh, infolge der langen Fetch baut sich eine starke Welle auf, dazu regnet es –kein Wetter um auszulaufen.
Verlängere bei der netten Dame in der Rezeption den Liegeplatz um einen Tag.
Vollenden den Einbau der Hifi Anlage, mit Boxen außen und innen, guter sound, die KATAWA ist jetzt nicht nur ein Regatta- sondern auch ein Partyschiff. Spielen als ersten song meine Aufnahme (gemeinsam mit  dem Spitzenpianisten Roland Batik) von „That’s Life“.
Mittagessen in der Marina.
Bunkern in einem Supermarkt im Ort, in der Marina hat nichts geöffnet.
Segelprofi Fritz Schnauder kommt als Skipper an Bord, mit Gerhard Weiß und Karl Hinterleitner, die erste Crew fliegt nach Wien zurück.

LOGBUCH TEIL II
THYRRHENISCHES MEER/JONISCHES MEER/ ADRIATISCHES MEER/ ROM-PULA

5.5.Sa
Neben der Osyssee nahm ich auch Vergils Äeneis an Bord, eine Art Fortsetzung der Odyssee: die Verbindung des alten Griechenland mit Rom, des Orients mit dem Occident: das „Heilige Römische Reich“, gegründet von einer Dynastie aus dem kleinasiatischen Troja…

0500 Ablegen von Rom, 21°, bewölkt, Regen, unter Motor 7 Knoten, Dünung schiebt von achtern, Wind 0.
1100, Wind aus NO mit 1 Bft, setzen Genua zum Motor.

Passieren das Kap Circeo, ein Bergkegel, der trotz schmaler Verbindung zum Festland wie eine Insel aussieht. Auch Odysseus hielt dieses Land -wo er bei Kirke ein Jahr verbrachte und ihr einen Sohn zeugte- für eine Insel.

Passieren die Pontischen Inseln, steuern durch zwischen der Isola di Ponza und der früheren Gefängnisinsel Santo Stefano (die jetzt um angeblich 20 Millionen zum Verkauf steht).

1700 einlaufen in VENTOTENE, gehen an die seltsamste aber malerischste Tankstelle, die ich je gesehen habe: oben auf einer senkrechten Wand aus dunkelbraunem Fels die Zapfsäule, keinerlei Steg oder sonstige Anlegevorrichtungen, die Wassertiefe erlaubt es, bis an die Felswand heranzufahren; 2 Typen die uns die langen Schläuche von oben reichen. Fritz legt ein meisterhaftes Anlegemanöver hin, längsseits zur Wand, Karl hantiert mit dem Prellfender.
121 Liter, 150 Euro, Log 1912.
Legen uns danach hinüber zur Hafenmole und gehen in den Ort hinauf um zu essen. Bis auf eine Pizzeria alles geschlossen. Alte Häuser, enge Gassen, vor der Pizzeria ein Tisch mit Blick übers Meer und italienische Musik. Rufe in Wien an.

1900 Ablegen von Ventotene unter Motor, Wind 0, Bewölkung ½, Kurs auf Ischia, das wir um 21h in etwa 10 Meilen Abstand passieren.

Dahinter ist Capri zu erkennen, sind die Sireneninseln zu erahnen.
Kirke hat Odysseus genaue Anweisungen gegeben, wie er der Sirenen Lied hören kann ohne ihnen zu verfallen. Es ging dabei nicht nur um Musik glaube ich sondern wieder einmal um Erkenntnis, die bewirkt, dass der ihr Verfallene sein früheres Leben nicht mehr fortsetzen will. Ein Gleichnis wie auch das von der sinnlichen Kirke, die Odysseus Crew in „Schweine“ verwandelt haben soll. Jede schöne Frau schafft so was, zumindest vorübergehend…

Ein Ankerlieger mitten auf dem Meer bereits im Abenddunkel, wenn auch mit der vorgeschriebenen Beleuchtung, mahnt uns, wachsam zu sein.
Nachtfahrt, habe die Schicht von 1800-2200; ruhiges Wetter, keine Vorkommnisse, lese die Lichter passierender Schiffe.

6.5.07 Sonntag
Habe die 2. Nachtschicht von 0200-0600 Früh, die sog. Hundswache. Es ist windstill, sternenklar, wir fahren im Mondlicht. 25°, Dünung schiebt uns an.
Um 0230 passieren wir Licosa, Fernsicht exzellent, wohl 20 Meilen. Gewitterwolken bleiben immer am Festland.
Passieren um 0600 Polinuro, setzen die Genua zum Motor, Fahrt meist über 7 Knoten.
Kurs auf den Stromboli, dessen Lava sich rauchend den steilen Nordhang hinunterwälzt zum Meer und aufdampfend ins Wasser fließt.
Passieren zwischen dem schwarzen Kegel Stromboli und dem bizarren Felsen Stromboliccio mit seinem Pferdekopf.

Was bewegt Menschen, sich auf einem aktiven Vulkan anzusiedeln? Denken sie: bis jetzt ist ja alles gut gegangen, vielleicht geht’s auch die nächsten hundert Jahre noch gut…

Kirke hatte Odysseus navigatorische Anweisungen gegeben um zurück nach Ithaka zu gelangen: Vor Stromboli habe er sich zu entscheiden: westwärts zu halten und den längeren Weg um Sizilien zu wählen  oder nach Süden zwischen dem Vulkan und seinem Vorfelsen durch zu jener Meerenge, die man heute die Straße von Messina nennt. Odysseus entschied sich für diesen Weg und sah wohl so wie ich jetzt achtern die beiden Felsen hinter dem Horizont versinken.

Als wir die Spitze Siziliens mit seinem markanten Strommast erreichen dunkelt es bereits.

An Backbord Leuchtfeuer  und Lichter des  Fischerdorfes Scilla in dessen steilen Felsen die sechsköpfige Scylla hauste und von oben nach Tunfischen und auch Seeleuten fischte. Kirke hatte ihrem Odysseus auch für hier klare Anweisungen gegeben:
Hält er sich zu weit rechts gerät er in den
Strudel der Charybdis, der sein Schiff verschlingen wird; hält er sich links, gerät er in die Fänge der Scylla. Odysseus wählt die bessere Chance, durchzukommen, hält sich links und verliert 6 Seeleute.

Das war Kirkes Rat:

Dort lauert Charybdis, die wasserstrudelnde Göttin
Dreimal gurgelt sie täglich es aus, und schlurfet es dreimal
Schrecklich hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden nahest!
Selbst Poseidon könnte dich nicht dem Verderben entreißen.
Drum steure du dicht an Skyllas Felsen, und rudre
Schnell mit dem Schiffe davon. Es ist doch besser, Odysseus,
Sechs Gefährten im Schiff zu vermissen, als alle mit einmal.

Und Odysseus eigener Bericht:

Seufzend ruderten wir hinein in die schreckliche Enge:
Denn hier drohete Skylla, und dort die wilde Charybdis
Welche die salzige Flut des Meeres fürchterlich einschlang:
Wenn sie die Flut ausbrach; wie ein Kessel auf flammendem Feuer,
Brauste mit Ungestüm ihr siedender Strudel, und hochauf
Spritzte der Schaum, und bedeckte die beiden Gipfel der Felsen,
Wenn sie die salzige Flut des Meeres wieder hineinschlang
Senkte sich mitten der Schlund des reißenden Strudels, und ringsum
Donnerte furchtbar der Fels, und unten blickten des Grundes
Schwarze Kiesel hervor. Und bleiches Entsetzen ergriff uns…

Wir halten knapp am Leuchtfeuer der Charybdis vorbei.
Plötzlich scheint steuerbords das Wasser zu kochen, pyramidenförmige Kegel gischten auf, die KATAWA wird seitwärts versetzt, das Ruder spielt verrückt, backbords quillt ein Wasserkegel von unten hoch, verbreitet sich in einem kreisrunden ölig aussehenden Fleck. Eine Viertelstunde dauert das Spektakel, das unser Schiff nur wenig unruhig macht aber kleinen Booten durchaus zum Verhängnis werden kann.

Das Erdbeben von 1789 hat den Meeresgrund in der Straße von Messina so verändert, dass der einst für die Schifffahrt tatsächlich gefährliche Strudel deutlich abgeschwächt wurde.
Reger Schiffsverkehr erfordert Achtsamkeit, eine Fähre folgt der andern, Frachter und Fischer verkehren.
Der eben wieder ausgebrochene Aetna wirft seinen Feuerschein in die Wolken über Sizilien.
Wir suchen die Tankstelle, die das Hafenhandbuch eineinhalb Seemeilen vor dem Hafen von Messina angibt, in einer ununterbrochenen Lichterkette von Häusern, Straßenlampen, Ampeln finden wir sie, legen unter widrigen Umständen und ohne Schaden an einem nahezu nur aus scharfkantigem Eisen bestehenden Steg an nur um festzustellen: geschlossen.
Wir fahren weiter in den Hafen von Messina, auch dort werden Tankstellen im Handbuch angeben; wir finden nichts, was offen hat. Es ist 2300 und wir laufen wieder aus, alles in langsamer, vorsichtiger Fahrt. Fritz ist ein alter Hase und navigiert nach seiner Erfahrung, seinem Gefühl (und dem GPS Plotter mit den gespeicherten, neuesten Karten des gesamten Mittelmeeres). Wir setzen über das Fahrwasser hinüber die 5 Meilen nach REGGIO DIE CALABRIA: Dort ist die Marina eng und voll, zu gefährlich, bei diesem Wind einzulaufen, wir finden schließlich Platz an der Westmole des Handelshafen.
Es ist 2400, das Log zeigt 2108 SM.
Die Wetternachrichten im Internet (wetteronline.de und meteo.hr): nichts Beunruhigendes für Morgen.

7.5.07 Montag
0010: Die Küstenwache überreicht ein Formular zum Ausfüllen.
Der wüste Hafen ist wenig vertrauenserweckend, könnte durchaus sein, dass hier Kriminelle auf Gelegenheit warten, das Hafenhandbuch warnt vor „großen Ratten zwischen den Lagerhäusern“ und wir lassen Karl als Wache an Bord zurück, suchen vergeblich ein offenes Lokal, kehren zurück und legen uns schlafen..
Um 0700  tanken wir an derselben Mole 128 Liter (158 Euro), füllen den Wassertank.
0738 Auslaufen aus Reggio; leicht bewölkt, 25°, S-Wind 14 Knoten, wir setzen die Genua zum Motor.
0930 passieren wir das Kap Spartivento, das seinem Namen entsprechend den Wind ändert, nämlich einstellt. Wir streichen das Segel.
1200 Pt. Stilo querab, 13 Knoten Wind aus 115, setzen Groß und Genua, Motor aus, 7 Knoten SOG.
1334 ist der Wind zu schwach, wir bergen die Segel, weiter unter Motor, COG 49°.
1600 wieder die Genua zur Unterstützung, Wind hat sich auf N gedreht.

8.5.07 Dienstag
Queren in dieser mondhellen Nacht den Golf von Tarent unter Segel, rauschende, berauschende Fahrt.
0000 Wind mit 10 Kn aus N, Genua gesetzt, Wind auf 12 Knoten, Maschine aus um 0145.
Meine Nachtwache wieder von 0200 bis 0600.
0400 Wind auf 15 Kn, 9 Knoten Fahrt mit gerefften Segeln.
Sonnenaufgang bei klarer Sicht gegen 0545.
0900 Reffs ausgebunden.
1100 Kap St. Maria die Leuca querab.
1200 bei 15 Kn Wind ONO mit beiden Segeln hart am Wind Richtung Otranto. Motor aus.
Wind dreht auf Nord und legt zu, wir haben ihn jetzt genau auf der Nase; Welle baut sich auf, wir streichen die Segel, weiter unter Motor, Wind und Welle setzen die Fahrt deutlich herab, das Boot stampft.
15h15 einlaufen in den Hafen von OTRANTO. Bei Seitenwind, der den Bug abtreibt Anlegemanöver an den Steg der Tankstelle.
Motor 481 Stunden, Log 2322 M. Tanken 87 Liter
Lassen uns einen Platz im Hafen zuweisen, legen dort an zwischen einem alten Eisenschiff und einer Yacht, unter schwierigen Bedingungen, Seitenwind treibt  wieder den Bug ab, mit Prellfender halten wir uns frei vom Nachbarschiff, machen schließlich ohne Schaden fest.
Bunkern im nahen Supermarkt, dann lade ich die Crew zum Essen in ein Lokal am Hafen. An Bord Rotwein, Musik.

9.5.07 Mittwoch
0630 Auslaufen aus Otranto bei Windstille und wolkenlosem Himmel.
Passieren um 1200 Brindisi.

Eines der Bücher die ich mitgenommen habe ist Hermanns Brochs „Tod des Vergil“. Lese jenen ersten Absatz, der mir seit ich das Buch erstmals vor etwa 40 Jahren gelesen habe, im Gedächtnis geblieben ist: er beschreibt, wie das Geschwader des Kaiser Trajan mit dem sterbenden Dichter an Bord in Brindisium einläuft:
Stahlblau und leicht, bewegt von einem leisen, kaum merklichen Gegenwind, waren die Wellen des adriatischen Meeres dem kaiserlichen Geschwader entgegengeströmt, als dieses, die mählich anrückenden Flachhügel der kalabrischen Küste zur Linken, dem Hafen Brundisium zusteuerte…

Eine ähnliche Stimmung ist heute.
Leichter Wind aus E, setzen die Genua zum Motor.
Beim Kochen stellt sich raus: das Propangas geht zu Ende, essen dann eine umfang- und detailreiche kalte Platte.
Ein Sonnentag mit kaum Wind, wir motoren durchgehend, ein Tag des Sonnen- und des Motoröls.
Sonnenuntergang in Rot.
Um 2330 kommt Wind aus West mit 12-15 Knoten, setzen Genua: ohne Motor 8 Knoten Fahrt.

10.5.07 Donnerstag
Meine Wache beginnt um 0100; weiter unter Genua, mein Ölzeug ist innen feucht und ich friere die ganze Nacht. Fritz pendelt zwischen Kartentisch und Cockpit.
0400 streichen wir das Segel, weiter unter Motor.

Wieder einmal die „rosenfingrige Dämmerung“, wie oft in der Odyssee gelesen, jetzt  s e h e  ich sie erstmals  deutlich.

Einlaufen in VIESTE um 0445; durch neue Molen ist die Situation anders als erwartet, drehen vor der Einfahrt eine langsame, enge Runde bis wir den Überblick haben, gehen bei der Tankstelle an die Mole und legen uns schlafen.

Log 2470, Motorstunden: 499

Um 7 kommt der Tankwart und füllt uns den Tank mühsam mit Kanistern, die Wassertiefe bei der Tankstelle reicht nicht für den Tiefgang der KATAWA; 80 Liter, 25 in einen weiteren Reservekanister…
Dann fahre ich gemeinsam mit dem Tankwart auf dem Sozius seines Rollers in rascher, kurvenschneidender Fahrt durch die Stadt auf der Suche nach einer Propangasflasche –vergeblich. Capuzze in einer malerischen, aber puristischen Hafenbar

0830 legen wir von Vieste ab, Windstille, Motor, Kurs 330 direkt auf Pula; ca. 220 Meilen voraus, haben vor, das nonstop durchzufahren. Die Wetterberichte auf wetteronline.de und http://meteo.hr ergeben nichts Beunruhigendes, leichte Winde überall bis Morgen, kein Sirocco, keine Bora im Anzug, sehen uns die Strömungen auf Aladin an um sie zu nutzen.

1530 Vis querab, setzen Genua, Wind ONO
1700 Jabuka querab.

11.5 Freitag
Ruhige Nachtfahrt unter Motor bei 0 Wind.
Eine Formation von etwa 30 italienischen Fischerbooten sieht mit ihren Lichtern aus der Ferne aus wie eine Stadt an einer Stelle, an der keine sein sollte; sie wildern hier offensichtlich in kroatischen Hoheitsgewässern.
Habe die Schicht bis 0200 Früh und wieder ab 0600.
Passieren Silva um 0800.
1030 setze ich bei Cres querab die Flagge „Q“ unter der Backbordsaling und steuerbords die Flagge Kroatiens.
Tel. Bestätigung: in der Veruda ist Steg 15, Platz 41 für die KATAWA reserviert.
Lasse mir einige kroatische Vokabel sagen: Dobre Tan für Guten Tag; Dovi Tschenja für auf Wiedersehen, Hvalla Lepa für Danke und Molim für Bitte.

1130 Galiola querab, Genua geborgen.
1230 Albanez querab,
Passieren die Einfahrt zur Veruda-Bucht erstmals um 1300.

Einlaufen in PULA um 1400,  die lange, zum Teil versunkene Mole aus der kuk Zeit, die manche Schiffer, die das Hafenhandbuch nicht gelesen haben, zu einer folgenschweren Abkürzung verleitet, die Werften steuerbord, die ACI Marina vor dem Hintergrund des antiken Amphitheaters.

Pula war, damals als Pola, österreichischer Zentralkriegshafen, nah am Hafen das ehemalige österreichische Marinekasino, eine interessante Kombination von Restaurat, Cafe, Ballsaal, Lesesälen, das ich vor etwa 20 Jahren nur anhand von Fotografien aus dem heeresgeschichtlichen Museum in Wien fand. Von der damals jugoslawischen Politik wurde es als Relikt einer fremdbestimmten Epoche versteckt gehalten, nichts, in keinem Plan wies etwas darauf hin, ebenso wenig auf die österreichische Marinekirche, die damals zugemauert war und den kuk Marinefriedhof, der vor wenigen Jahren renoviert wurde, beides auf der Südseite der Bucht.

1904 versuchte James Joyce hier, sich und seine Frau als Englischlehrer durchzuschlagen während er schon den „Ulysses“ plante, den wichtigsten Roman des Jahrhunderts. 1905 zog er nach Triest, wo er Freundschaft mit einem anderen Schriftsteller pflegte: Ettore Schmitz alias Italo Svevo.

Legen am Zollsteg an, einklarieren, dann zum Hafenkapitän, bezahle das Permit.
Legen vom Zoll ab um 1500.
Laufen um 1700 in die MARINA VERUDA ein.
Der Platz am Steg 15 ist eng, aber ein anderer ist nicht verfügbar; zudem möchte die Marina nur Jahresplätze vergeben; einigen uns auf vorläufig 1 Monat.
Motorstunden 530
Log 2729 SM , 1058 SM insgesamt seit Rapallo.

Zum Fischessen mit dem Taxi in die Konoba Batelina in Banjole; ein ausgezeichneten Drachenkopf, lasse mich zu zuviel Rotwein verleiten, aber der Job ist erledigt, der Plan gelungen:
In 12 Tagen von Rapallo nach Pula über vier Meere, wenn auch vom Wetter begünstigt; jemand hatte geschätzt, wir würden 6 Wochen brauchen. Was ich wollte war, mein Boot in 6 Stunden Reichweite von Wien zu haben, und das subito –was nun der Fall ist. Eine seemännische Leistung offenbar, aber alles nicht mein Verdienst: habe nur die richtigen Crews ausgesucht.

12.5. Samstag
Morgens findet die Crew sich nach und nach im 1. Cafe an der Mole ein, dann mit dem Taxi  zweieinhalb Stunden zum Flughafen Trieste/Montfalcone; 1900 zurück in Wien

INTERVIEW

O7: Wie kamen Sie zum Segeln?
Z:  Ich bin am Traunsee aufgewachsen. Schon mein Vater war Segler, ich habe das Segeln praktisch zugleich mit dem Gehen erlernt, wahrscheinlich hat mein Vater mir schon als Kleinkind die Pinne seiner O-Jolle in die Hand gegeben. Später als Student hab ich das fortgesetzt, etliche Jahre war der Karriere wegen das Segeln auf Sparflamme, später hab ich’s wieder intensiviert.
O7: Was reizt Sie am Segeln?
Z: Segeln ist der komplexeste Sport den es gibt; vom körperlichen und mentalen Einsatz, über die Gruppendynamik bei Crews bis zur Natur, dem Gefühl für Wetter, Wind, Wellen; vom Design und von der Konstruktion der Boote bis zur Taktik der Regatten…das Segeln verbindet  High-Tech Elemente aus der Weltraumfahrt, z.B. Kevlar, GPS usw. mit archaischen Elementen, z.B. Seemannsknoten wie sie die Menschheit schon seit Tausenden Jahren verwendet.
Dazu die kulturelle Seite: Meine Identität als Europäer korreliert mit meiner Identität als Segler und egal in welchem Meer des mediterranen Raums ich segle, ich sehe immer zugleich den Grund der Gewässer die ich befahre, sehe die Schichten, die verschiedene Kulturen hier hinterlassen haben, ihre versunkenen Schiffe mit all ihren Gütern und Menschen, ihre Geschichten… die Geschichte des Odysseus, die des Aeneas, der von Troja floh und Rom gründete, vorher die der Fahrt der Argonauten auf der Argo, dem ersten Kriegsschiff der Antike…Ohne das Befahren der Meere gibt es keine Zivilisation, erst mit dem Segeln beginnt das Meer zu leben, kann Kultur sich ausbreiten.
O7: Sie bewegen ein elegantes Boot am Traunsee, fahren ein ebensolches am Mittelmeer -wie geht sich das aus?
Z: Ich lebe sonst ziemlich bescheiden. Wenn man wie ich neben seiner Tätigkeit in der Wirtschaft Schriftsteller ist und daher viel liest und viel schreibt hat man nicht viel Zeit, Geld auszugeben. Als Schriftsteller verdient man zwar nichts, erspart sich aber viel. Außerdem finde ich weder was an  Schiurlauben, ich brauche keine Badeurlaube in exotischen Gebieten, ich spiele weder Tennis noch Golf, Moden ignoriere ich ohnedies seit je…
O7. Was unterscheidet für Sie Segeln auf dem See vom Segeln auf See?
Z: Sie ergänzen einander; ich will beides nicht missen. Im August, wenn die Marinas und Häfen des Mittelmeeres überfüllt sind, ist Segeln auf dem Traunsee angesagt. Gerade unsere Seen in Österreich sind ja weltweit einmalig und –wie die internationalen Regattaergebnisse, auch bei Olympiaden, zeigen- kann man bei uns offensichtlich auch richtig segeln lernen. Dazu die Infrastruktur und das amikale Umfeld unserer Yachtclubs….
Wichtig ist es übrigens, auf Jollen gleichwie auf Yachten zu segeln, nur so lernt mans richtig. Wenn am See der Sturm bläst sodass mir schon um die Yacht schade ist sagt sicher meine Tochter: „Geiler Wind heute“ und nimmt mich mit, um ihren Laser gewichtmäßig zu trimmen.

TECHNISCHE DATEN DER GRAND SOLEIL 46.3

Länge üA 14, 42 m
Breite: 4,40 m
Tiefgang: 2,25
Verdrängung: 11,0 t
Kojen 6+2 (8+2)
Segelfläche: 127 m2
Großsegel:  47,08 m2
Genua: 80,24 m2
Dieseltank: 200 L
Wassertank: 400 L
Motorleistung: 56 PS

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