16. Juni: Bloomsday!
Auf der Ponte Rosso in Triest stoße ich auf James Joyce.
Dachte Sie seien noch in Pola, Maestro, sage ich
haben uns dort zuletzt im Uliks getroffen …
Er lacht: Musste unversehens die Stadt verlassen
eine Posse der Österreicher
ihres Zentralkriegshafens wegen sind sie paranoid
wollen dort Schlachtschiffe bauen
und glauben, niemand würde es merken
jetzt meinen sie, einen Spionagering entdeckt zu haben
und i c h wurde der Spionage verdächtigt
bloß weil ich dort gern spazieren ging …
Ein Treppenwitz der Geschichte, sage ich:
James Joyce als Spion von Pola …
Da drüben ist übrigens die Berlitz School fährt er fort
an der ich meinen Lebensunterhalt verdiene
habe soeben einen Vorschuss rausgeschlagen
und bin unterwegs ins Specchi
um das mit einem guten Schluck zu feiern
kommen Sie doch mit
wo haben Sie angelegt mit Ihrer weißbesegelten Argo?
Die liegt an der alten Fischhalle, sage ich
gleich vor der Piazza …
Arbeite an einer kleinen Novelle, sagt Joyce
von vielleicht fünfzig Seiten
will sie Ulysses nennen
spielt in Dublin, den 16. Juni 1904
dem Tag an dem Nora mich zum Mann gemacht hat
habe dabei stets Triest vor Augen
als Fluchthafen meines Schreibens.
Ahhh! Triste Trieste!
Hier finde ich meinen Odysseus
hier beginne ich wie er
die Heimat aus der Ferne zu lieben
denn nur aus der Ferne
vermag man über seine Heimatstadt zu schreiben …
Da erscheint die schöne Nora im Cafè und zürnt:
Ihr verführt Jim zum Saufen!
Als ob er uns dazu bräuchte, wage ich einzuwerfen.
Nur zum Trinken taugst du, schimpft Nora
und unnützes Zeug zu schreiben
das niemand versteht
da lese ich lieber meine Perlen-Romane …
Seine kleine Novelle „Ulysses“ übrigens
sagt Mephisto, der uns vom Nebentisch zugehört hat
wird letztlich achthundert Seiten umfassen
und ihn weltberühmt machen
Sag bloß, du arbeitest auch für Joyce, sage ich,
MEPHISTO mit nachsichtigem Lächeln
So mancher / den man heut gut kennt
war in der Tat / einst mein Klient.
(aus: A. Zellinger, Flaneurgeschichten aus der imaginären Metropole Europas, Wien 2019 und A. Zellinger, Faustina die Erbin, erscheint in Kürze)