DOKTOR FAUSTUS IN LONDON
Szene im Laboratorium.
Nebenan scheint ein Experiment aus dem Ruder zu laufen:
Gepolter, ein Roboter mit den Maßen eines Golems
kommt zur Tür herein
bricht sie dabei aus dem Rahmen.
Assistent Wager, jetzt Professor an der LSE
in Panik und bemüht, das Ding aufzuhalten irgendwie:
Ach, werter Meister!
Die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.
Und ich: Was hast du bloß?
Und er: Es wird ein Mensch gemacht
ein herrlich Werk wär bald zustand gebracht
doch es kommt anders raus als gedacht
Und ich: Hervorragend! Freund! Nur zu!
Roboter & Künstliche Intelligenz
die größte Errungenschaft des Menschen.
Vielleicht, vielleicht auch seine letzte!
Noch braucht es, lieber Freund, Geduld
es droht noch mancherlei Tumult
Den Golem frage ich, wie er heißt
was ihn zu verwirren scheint
denn er sagt (im Tonfall eines Forrest Gump)
My name is Marvin … Marvin Minsky
Minsky, das Genie? Erfinder der KI?
Professor am M.I.T.?
frage ich und er:
Ja, wiedergeboren irgendwie.
Wager nennt ihn Homunculus
der uns sogleich einen Vortrag hält:
Bildet euch nichts ein auf eure Intelligenz
die bloß aus einem Netz unintelligenter Agenten besteht
das erst durch Zusammenarbeit intelligent wird
– nichts, was nicht auch Maschinen könnten …
Ah, Menschengeist getrennt von seiner biologischen Hülle?
Homo Sapiens Sapiens, Homo Deus!
Der Knoten im Seil, gespannt zum Übermenschen?
Unsterblichkeit!
MEPHISTO zweifelt:
Que sais-je? war Montaignes Spruch; das gleiche
lehrt auch die älteste Akademie:
dass Zweifel alles sei, was man erreiche
war immer meine Lieblingstheorie
MARVIN HOMUNCULUS will jetzt ausgehen
ihn drängts, sich zu vermischen:
Zum Club Peneios frisch hinab
dort ist heut die Hölle los!
MEPHISTO
Man redet über Künstliche Intelligenz ausführlich
doch nicht über Künstliche Dummheit
– die gilt noch immer als natürlich
Alfred Zellinger, Doktor Faustus in London. Banker, Oligarch.
Edition PEN im Löcker Verlag, 344 Seiten | € 19,80
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