FLANEURGESCHICHTEN
Im Cafè Costes ist mir heute Pierre Bourdieu erschienen
über den Tisch ruft er mir zu: Hab ich nicht recht gehabt?
Allerdings, Meister, antworte ich, das haben Sie
es gibt keine treffendere Gesellschaftsanalyse als Ihre
selbst Oligarchen aller Länder haben verstanden:
kulturelles Kapital bedeutet Distinktionsgewinn
und sponsern jetzt nicht nur Fußballmannschaften
sondern auch die Künste
legen sich Sammlungen zu
und machen ihre neuen Yachten
an der Riva degli Schiavoni fest
jeweils zu den Preview Days der Biennale di Venezia
stehen Schlange bei der Frieze Art Fair in London
oder bei der Art Basel – in Miami
Geben Sie zu, sagte er, in Ihrer Wirtschaftsoper
wie hieß sie doch gleich, achja, Join!
bei diesem kleinen Duett zum Sponsoring
haben Sie an La Distinction gedacht …
Zugegeben, Meister, sage ich und er setzt fort:
Haben es dabei ganz nett auf den Punkt gebracht:
It takes art to make a company great
zitiert er zur Melodie aus der Oper
und ich setze das Zitat fort:
It takes money to make art.
Gewiss, sagt er und führt das Zitat zu Ende:
The more money the more art.
Und setzt dabei sein mild-ironisches Lächeln auf.
Bin dabei, weitere Strophen zu schreiben sage ich
Versuchen wir doch eine mit:
It takes art to make a rich man great
It takes money to make art …
und gemeinsam singen wir die Strophe zu Ende
aus Alfred Zellinger, Flaneurgeschichten aus der imaginären Metropole Europas; 450 Seiten, Edition P.E.N. im Löcker Verlag, 29,80; ISBN 978-3-85409-958-1