Archive for März 2021

31.3.21 Gedenktag

März 31, 2021

Persönlicher Gedenktag.

Am 31. März 1965 fand in Wien eine Demonstration statt

gegen einen damals noch mehr als heute alltäglichen

sog. „bedauerlichen Einzelfall“.

In seinen Vorlesungen an der „Welthandel“

ruft ein Professor Borodajkewycz

johlenden Beifall der Burschenschaftler vom RFS hervor

einer Vororganisation der FPÖ

indem er unverhohlen antisemitische Witze macht

sich offen als Nazi bekennt

den Staat Österreich ein „Hirngespinst“ nennt

und den „charakterlosen Versuch einer Entdeutschung“.

Die Demonstration fordert, Borodajkevicz zu feuern

der aber, als prononcierter Katholik

vom ÖVP-Unterrichtsminister Piffl-Percevic protegiert wird.

Schon damals stand KatholischRechtsFaschistisch

stets Schulter an Schulter mit VölkischRechtsNationalistisch.

Ich war gerade nach Wien gekommen um Jus zu studieren

und ging hin um mir die Demo anzusehen.

Vom Resselpark aus nähern sich Gegendemonstranten

von RFS-Burschenschaftlern und FPÖ-Anhängern

die zu B’s Verteidigung ausgerückt waren

ihr „Juden raus!“ und „Hoch Auschwitz“ Gegröle

hat mir damals Ohren und Augen geöffnet

und ich, der ich bloß gekommen war, mir ein Bild zu machen,

fand mich plötzlich inmitten der demonstrierenden Studenten

über den Karlsplatz marschieren.

Auf dem Pflaster vor dem Hotel Sacher lag später

ein alter kommunistischer Widerstandskämpfer

erschlagen von einem Neonazi.

und mir war dieser in Österreich herrschende

nationalistisch-antisemitisch-katholische Mief bewusst geworden

der mich bis heute anwidert

Ein Weckruf für die Republik.

Und meine politische Initiation.

30.3.21 Dante 4

März 30, 2021

Dante (4)

Motiviert durch den Dante-Tag in Italien

vertiefe ich mich wieder in die Divina Commedia.

„Der Eingang bin ich zu der Stadt der Schmerzen.

Der Eingang bin ich zu den ew’gen Qualen.

Der Eingang bin ich zum verlor’nen Volke. …

Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.“

Im 2. Gesang der Hölle sorgt sich um Dante bereits

seine Jugendliebe aus Florenz, Beatrice

und beauftragt den Dichter Vergil

ihn durch die Höllenkreise und das Purgatorium zu führen

im Paradiesübernimmt Beatrice dann selbst die Führung …

Das ist wohl ein Ursprung der Idee vom Paradies, denke ich:

dass man hier Menschen wieder trifft

die man nicht vergessen wollte.

Was mich daran erinnert, dass auch Goethe

den Faust, als dieser stirbt, schwerreich und hochbetagt

im Himmel wieder auf Margarete treffen lässt

doch wird in der Sekundärliteratur zum Faust

kaum wo auf die Parallele hingewiesen

zur Göttlichen Komödie.

29.3.21 Medien

März 29, 2021

Mediendämmerung.

„Video killed the Radio Star“ sang man einmal

und lag damit falsch.

Das Radio hat sich gehalten.

und es gibt heute mehr Stationen als je zuvor.

Dennoch gehen manche Medien vollständig unter.

So habe ich meinen Ansammlungen

an Video-Cassetten und Compact Cassetten

längst Denkmale gesetzt:

Die hängen jetzt an den Wänden

– als dreidimensionale Bilder.

28.3.21 Llosa

März 28, 2021

Mario Vargas Llosa wird heute 85.

Empfehle ihn hier nicht als Romancier

das hieße Eulen nach Athen tragen

sondern sein „Der Ruf nach der Horde“:

eine Art innere Biografie

die Entwicklung eines politischen Intellektuellen

zwischen Existenzialismus und Liberalismus

der dem Individuum stets den Vorzug gibt

vor der Horde, der Nation und der Klasse.

– ein Plädoyer zugleich gegen primitiven Populismus.

Seine Helden sind Adam Smith

Friedrich v. Hayek und Karl Popper …

Ein Parforce-Ritt von „The Wealth of Nations“

über den „Weg zur Knechtschaft“

zu den „Feinden der offenen Gesellschaft“ …

Happy Birthday Mario Vargas Llosa!

27.3.21 Heroinen

März 27, 2021

Nach den Metamorphosen des Ovid

lese ich jetzt auch seine Heroinen-Briefe wieder.

Den von leichter Ungeduld bestimmten Brief Penelopes

an Odysseus hab ich hier schon mal zitiert

diesmal daher aus einem ganz reizenden Briefwechsel

zwischen der schönen Helena

und Paris aus Troja.

Paris an Helena:

Dich will ich haben, die die goldene Venus

für mein Bett bestimmt hat …

Ich habe dich eher begehrt als du mir bekannt warst …

Die Schönheit liegt mit der Keuschheit stets in schwerem Streit

Jupiter freut sich, es freut sich die goldene Venus …

Dein Mann ist verreist und fast eigenhändig hat er mich

als Liebhaber dir zugeführt

nutze doch seine Einfalt …

Helena an Paris:

Wie viele junge Männer, glaubst du wohl, wünschen sich

was du dir wünscht?

Oder hast du, Paris, als einziger Augen?

Du siehst nicht mehr als die andern

aber du Frechling wagst mehr:

Du hast auch nicht mehr Herz

aber ein ziemlich dreistes Mundwerk …

Tja, und der Rest ist Geschichte, meine Damen und Herren.

27.3.21 Weltuntergang

März 27, 2021

Weltuntergangsfantasien?

Ja, ich hatte tatsächlich einmal Angst

um die Welt und den Fortbestand der Menschheit.

Das war im sog. „Kalten Krieg“

als tausende Atomsprengköpfe

in Ost und West gegeneinander gerichtet waren.

Ich ging noch zur Schule und meine Mutter hatte schon

die Formulare für unsere Migration nach Australien ausgefüllt.

Aber bald darauf ging die sog. „Sowjetunion“

mit einem leisen Winseln unter.

26.3.21 Ovid Joyce

März 26, 2021

Aus der Wasserbibliothek.

Lese wieder Ovids Metamorphosen

und diesmal schreibe ich mit der Hand

die fehlenden  Überschriften ins Buch: 

Jupiter & Europa, Pyramos & Thisbe, Circe & Scylla,

Dido & Aeneas, Philemon und Baucis, Cyklop & Galathea,

Ulixes, Orpheus & Euridice …

zwecks künftig leichterer Orientierung.

Bei Joycens Ulysses habe ich das schon vor einiger Zeit gemacht:

den Kapiteln ihre ursprünglich gegebenen

der Odyssee gewidmeten

von Joyce später gestrichenen Überschriften

wieder gegeben: Circe, Nausikaa etc.

26.3.21 Resilienz

März 26, 2021

Bin wohl irgendwie abartig.
Ich finde die Welt nicht zu laut.
Ich finde nicht, dass alles zu schnell geht.
Ich mag Städte, wo Menschen

sich schneller bewegen als bei uns.
Ich leide nicht an „Reizüberflutung“
auch nicht an „Information Overflow“
weder analog noch digital.
Ich brauche keine Religion

oder sonstein esoterisches Geraune
um am Leben Sinn zu finden
muss mich auch nicht ständig fragen

wer ich eigentlich „wirklich bin“
oder wie ich mich „verwirklichen“ könnte.
Danke, ich brauche bestimmt keine „Auszeit“
und leide sicher nicht an einem „Burnout“
ich habe auch nichts gegen Konkurrenz

sondern halte sie für notwendig

weil wir sonst noch auf Bäumen säßen

Globalisierung sehe ich als Segen
und Arbeit empfinde ich nicht nur als „Belastung“

sondern als Voraussetzung für ein gelingendes Leben.

Und auch in diesen Lockdowns wird mir nie fad.

Bin wohl irgendwie abartig.

25.3.21 Dante 2

März 25, 2021

Aus der Wasserbibliothek.

DANTE (2)

Im Cafè Alighieri zitierte Dante dann aus seiner Komödie

Ich sah hier Sokrates sowohl als Plato

auch Demokrit dem alles gilt für Zufall

Cicero, Seneca, den Sittenlehrer

das ist Homer, der königliche Dichter

der Zweit’ ist der Satiriker Horaz

als Dritter folgt Ovid, Lucan als Letzter

Helena sah ich, die so lange Unheil

verursacht, und Achill auch, den großen

der noch zuletzt mit Liebe kämpfen musste

Paris und Tristan und wohl tausend zeigte Vergil

sie mir benennend

die uns’rer Welt die Lieb entrissen hat …

Doch sagt, die ihr selig hier euch fühlet
begehrt ihr nicht nach einer höhren Stelle
Um mehr zu schauen und werter Gott zu werden?
Hier erlaubte ich mir, den Meister

unserer Zeit geschuldet, neu zu interpretieren:

Ich würde den Satz bevorzugen, sagte ich

„Begehrt ihr nicht nach einer höhren Stelle

um mehr zu schauen und mehr WIE Gott zu werden?“.

Dazu ein Wort aus meinem neuen Faust

DOKTOR FAUSTUS IN LONDON, Wien 2017

„Der Mensch ist seiner Göttlichkeit /

heut schon viel näher als zu Faustens Zeit

25.3.21 Dante 1

März 25, 2021

Aus der Wasserbibliothek.

DANTE (1)

Italien erklärte den 25. März zum Dante-Tag.

Ausstellungen wurden geplant

kuratiert von den Florentiner Uffizien.

Aus diesem Anlass sei meine Kolumne zitiert

im Yachtmagazin „Ocean7“, 5/2017

in der ich von einem Besuch bei Dante berichte

in Ravenna, das ich unter Segel anlief

wo ich den Dichter von seinem kleinen Mausoleum abholte

an der Mauer des alten Franziskanerklosters

und wir uns im Cafè ums Eck

das natürlich Cafè Alighieri heißt

bei einer Flasche Prosecco

über Mohammed und dessen strenge Bestrafung

– beschrieben im 28. Gesang der Hölle – unterhielten.

Von Odysseus erzählt Dante übrigens im 26. Gesang:

„Als Circe ich verlassen, welche länger

Mich als ein Jahr festhielt

Eh noch Aeneas (ihre Insel) benannte

Vermochten nicht die Zärtlichkeiten zum Sohne

Und nicht die Ehrfurcht für den alten Vater

Die Liebe nicht durch die Penelope’n

Zu erfreun mir oblag, jenen Trieb zu dämpfen

Der mich die Welt und Tugenden wie Laster

Der Menschen weiter noch erkunden ließ.

So fuhr ich mit der kleinen Zahl Gefährten

Die mir verblieb, auf einem einz’gen Schiffe

Hinaus ins weite schrankenlose Meer …“

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