Heute 100 Jahre Joycens „Ulysses“.
Sylvia Beach, die Amerikanerin in Paris
wagt es, 1922 den Text zu veröffentlichen
– ein Buch das man übrigens mehrmals im Leben lesen sollte.
Dazu aus meinem Faust III (ich weiß: Anmaßung)
FAUSTINA DIE ERBIN
– erscheint dieses Frühjahr bei Löcker:
„Mit der „Katawa“ Triest angelaufen
festgemacht am Pier der Marina San Giusto
vor der alten Fischhalle
klar Schiff, dann Landgang.
Auf der Ponte Rosso an Triests Canal Grande
stoßen wir auf James Joyce.
Ah, Maestro Giacomo, hier in Triest!
ruft Mephisto, dachte Sie seien in Pola
als Englischlehrer von Berlitz
haben uns zuletzt im Cafè Uliks gesehen
Joyce lacht, ich musste Pola unversehens verlassen
eine Posse der Österreicher:
weil ich gern vor ihrem Kriegshafen spazierte
hielten sie mich für einen Spion
und beschlossen, mich auszuweisen …
Tja, sage ich, mit dem Ausweisen sind die Österreicher
immer schnell zur Hand
da können subalterne Beamte
sich so recht aufspielen
zu Herren über Leben und Tod.
Mephisto lacht: Hahaha, James Joyce als Spion gegen Österreich
– ein Treppenwitz der Geschichte.
Da drüben ist übrigens die Berlitz School, fährt Joyce fort,
habe soeben einen Vorschuss rausgeschlagen
und bin unterwegs ins Caffe Specchi
um das mit einem guten Schluck zu feiern
kommen Sie doch mit!
Wo haben Sie angelegt mit Ihrer weißbesegelten Argo?
Die liegt an der alten Fischhalle, sage ich
gleich vor der Piazza Grande …
Im Specchi ordere ich in Kenntnis von Joycens Vorlieben
eine Flasche Absinth
das grünäugige Ungeheuer, wie er es nennt
Woran arbeiten Sie gerade, Maestro Joyce, frage ich.
Ich habe eine kleine Novelle geplant, sagt dieser
von wenigen dutzend Seiten
die ich Ulysses nennen will
spielt in Dublin, am 16. Juni 1904
hatte an diesem Tag ein Date
mit der schönen Nora Barnacle,
Zimmermädchen aus Finns Hotel
an dem Tag hat sie mich zum Mann gemacht.
Jetzt schreibe ich über diesen Tag in Dublin
und habe dabei Triest vor Augen,
als Fluchthafen meines Schreibens.
Hier finde ich meinen Odysseus
hier beginne ich wie er
die Heimat aus der Ferne zu lieben
denn nur aus der Ferne
vermag man über seine Heimatstadt zu schreiben
erst die Ferne ermöglicht, scharf zu sehen
was sonst zu nah ist.
Ah, Triste Trieste!
Da erscheint die schöne Nora auch schon im Cafè und zürnt:
Ihr verführt Jim zum Saufen!
Dazu braucht er uns nicht, sagt Mephisto.
Saufen ist alles wozu du taugst, schimpft sie mit Joyce
erzähl mir nichts von all den Büchern die du schreiben willst
besser, du wärst Sänger geworden!
Nora mit Jim ab.
Seine kleine Novelle „Ulysses“ übrigens
sagt Mephisto
wird letztlich tausend Seiten umfassen
und ihn weltberühmt machen
Sag bloß, du arbeitest auch für Joyce, sage ich.
MEPHISTO mit nachsichtigem Lächeln
So mancher / den man heut gut kennt
war in der Tat / einst mein Klient.“