GIACOMO CASANOVAS WIENER TWEETS

Alfred Zellinger

GIACOMO CASANOVAS WIENER TWEETS

1753 und 1773

Casanova1

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Erstmals in Wien. Leider wieder knapp bei Kasse.

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Was hier sofort auffällt: In Wien fühlen die Behörden sich dazu berufen, die freie Liebe nach Kräften zu behindern.

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Übergab heute dem Abate Metastaso das Empfehlungsschreiben von  Migliavacca; führten am Graben ein langes, interessantes Gespräch.

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Stoße in Wien auf große Hindernisse für die Liebe. Von den 7 Todsünden hält man hier nur die 7. für unverzeihlich und verfolgt sie mit Eifer.

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Um mich zum Twittern zu motivieren genügt mir die Vorstellung, dass Menschen das lesen werden.

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Es gibt hier eigene Keuschheitskommissionen, die nichts besseres zu tun haben als die Mädchen auf den Straßen zu belästigen.

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Bin kaiserliche Bibliothek am Josefsplatz.

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Mir missfällt der Krieg der allgegenwärtigen Heiligen Inquisition gegen die Vernunft und gegen Bücher.

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Meine eigenen Bücher, vor allem die verbotenen, habe ich in guten Händen zurückgelassen.

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Die Mädchen hier sind genötigt, auf den Straßen den Rosenkranz zu beten, wollen sie nicht als Prostituierte verhaftet werden.

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Auch Ehebruch wird eifrig verfolgt. Prostituierte werden sogleich in die Verbannung geschickt. Wien!

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Zu einer Probe in die Oper eingeladen, traf den Tänzer Bodin.

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Lernte, dass die Keuschheitskommissare nur jene verfolgen, die nicht in gute Häuser gehn –so komme ich doch noch auf meine Rechnung.

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Im Cafe traf ich heute den Baron Weiß wieder, der mich alsbald einer Gräfin vorstellte.

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Beim Soupe wurde ich heute zum Baron ernannt. In der Wiener Gesellschaft muss man einen Titel haben. Wenigstens den Baron.

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Bei der Gräfin lernte ich auch ein paar Fräullein kennen, die nicht fürchteten, durch Annahme von Geld ihre Vornehmheit einzubüßen.

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Spielabend im Haus der Baronin, der ich einige passionierte Spieler vorstellte.

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Mit dem Baron Weiß zu einem Picknick in Schönbrunn. Holte mir dort eine schlimme Magenvergiftung.

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Vertrieb einen Kurpfuscher, der mich zu Ader lassen wollte, mit einem Pistolenschuss. Wurde Stadtgespräch; in der Oper kennen mich jetzt alle.

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Arbeite an einer Übersetzung der Illias in italienische Verse.

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Lerne eine Tänzerin aus Mailand kennen, die sich für Literatur interessiert!! Mache ihr den Hof, allerdings vergeblich.

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Momentan lese ich nur, ohne zu lieben.

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Heute von Wien Richtung Triest abgereist.

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Wieder in Wien. Mit mir die schöne C. die ich in Leipzig eben erst von einer galanten Krankheit kurieren ließ.

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Sind im Gasthof zum Roten Ochsen abgestiegen. C. der Form halber als „Modehändlerin“ in einem eigenen Zimmer.

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Wurden heute gleich am Morgen von den Sittenwächtern Maria Theresias belästigt, die in unseren Betten schnüffelten.

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Die Sittenschnüffler verlangten, dass der Wirt meiner C. ein Zimmer in einem anderen Stockwerk zuweise, möglichst weit weg von meinem.

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Von meinem Duell mit dem polnischen Großmarschall Branicki spricht noch ganz Wien.

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Trage nach dem für mich rühmlichen Duell meinen Arm immer noch in der Binde. Die neidischen Wiener nennen das Angeberei.

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Beim Schreiben erlebe ich die Vergnügen aufs Neue, die ich genossen habe und lache über die Schwierigkeiten mit denen ich konfrontiert war.

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Bin Wiener Graben.

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Die übereifrige Sittenpolizei Wiens hat meine C. ausgewiesen. Frechheit! Sie reiste ab; werden uns in Montpellier wiedersehen.

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Treffe jetzt täglich Metastasio im einem Cafe am Graben; führen lange Gespräche.

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Gehe täglich ins Theater. Für seine Schauspielkunst ist Wien berühmt. Die Stadt ist ein einziges, großes Theater.

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Lebe hier unauffällig, zeige mich weder in guter noch in schlechter Gesellschaft.

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Mit Da Ponte über den Graben spaziert. Reden über ein Opernlibretto zu Don Juan.

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Treffe am Graben auf meinen früheren Sekretär Costa, der mich bestohlen hat und verprügle ihn.

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Da Ponte hält mich zurück, Costa flüchtete sich in ein Cafe.

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Costa, der Schlingel schrieb mir in schönsten italienischen Versen, er sei nur der Schüler, ich der Meister. Ich musste lachen und wir versöhnten uns.

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Hier gibt es so viele hübsche Mädchen, dass sie fast alle arm sind.

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In Wien immer Probleme mit der Sittenpolizei.

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Die kleine Pocchini hat mich mit raffinierten lateinischen Versen verführt, ihr zu folgen. Eine Falle, wo mir die Brieftasche abgenommen wurde!

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Zugegeben: Ich mache mir selbst kein Gewissen daraus, Gauner und Dummköpfe zu täuschen. Umgekehrt stört mich das eher.

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Wandte mich an den  Polizeipräsidenten um Hilfe und wurde ausgelacht. Soll binnen 24 Stunden ausreisen, würde sonst abgeschafft.

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In Wien scheint man mit der Abschiebung rasch zur Hand zu sein.

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Stellte ein Bittgesuch um Aufschub, der gewährt wurde.

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Werde aus Wien angeblich wegen Falschspiels ausgewiesen, in Wahrheit wegen der hübschen Tochter eines Gauners.

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Das ist Wien: Ausgeraubt von Spitzbuben, von der Polizei als Verbrecher behandelt und mit Abschiebung bedroht.

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Reise heute im Wagen ab, Richtung Linz. Werd jetzt dieses Geotagging verwenden. Damit die Welt weiß, wo ich mich aufhalte.

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Lese wieder in Casanovas Memoiren, 12 Bände,

die er als 70jähriger im böhmischen Schloss des Waldstein schreibt

-ein Flaneur durch Europas Gast- und Freudenhäuser.

ein Europäer. Casanova on the road..

Casanova würde Spaß am Twittern finden; und er würde mittels Geotagging die Welt wissen lassen, wo er sich jeweils aufhält.

Der Gedanke: Könnte das für ihn nachholen.

Bin ja selbst täglich Gast in den alten Cafes Europas.

Schreibe versuchsweise mal ein paar historische Tweets:

Casanova in Wien

Und so wie ich auf den Routen des Odysseus durch die Meere segle

könnte ich auch den Routen Casanovas durch die Städte Europas folgen.

 

Eine Antwort to “GIACOMO CASANOVAS WIENER TWEETS”

  1. 6.4.14 Casanova | AlfredZellinger's Blog Says:

    […] Casanovas Wiener Tweets, 1753 und 1773, zitiert aus seinen Memoiren: https://alfredzellinger.wordpress.com/giacomo-casanovas-wiener-tweets/ […]

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