ALSO SPRACH ZARATHUSTRA
interpretiert von Konrad Paul Liessmann
(Alle Lust will Ewigkeit, Wien 2021)
zwischen den 12 mitternächtlichen Schlägen einer Turmuhr
und Liessmann interpretiert von mir.
Die Begeisterung nach dem ersten Kapitel,
EINS! O MENSCH GIB ACHT
ist indessen etwas gesunken
dennoch sei, um das zu Ende zu bringen
hier der weiteren 10 Kapitel gedacht
folgend den einzelnen Verszeilen
des Nietzscheanischen Mitternachtslieds
mit ihren mir dabei entstehenden Assoziationen:
ZWEI! WAS SPRICHT DIE TIEFE MITTERNACHT?
Tag Nacht, Hell Dunkel, Erkenntnis Erfahrung
Nacht als Symbol für das Dunkle, Triebhafte
von Plato bis zur Aufklärung erscheint die Wahrheit bei Licht.
Doch was raunt da unser Nietzsche?
Die Nacht als Verlust der Rationalität, der Logik
der Zurechnungsfähigkeit und dennoch als Gewinn?
Es spricht Nyx, die Göttin der Nacht
vermag die Nacht zu zeigen
was der Helle des Tages verborgen bleibt?
Die Wiederholung des Immergleichen hat Marx übrigens
deutlich amüsanter definiert als Nietzsche:
Geschichte wiederholt sich:
was als Tragödie entstand
wiederholt sich als Farce.
DREI! ICH SCHLIEF! ICH SCHLIEF!
Spricht hier die Mitternacht selbst?
Spricht der Mensch?
Nein, es wird keine Philosophie des Schlafes bei Nietzsche
aber: meinte Zarathustra wirklich,
der Sinn des Lebens sei, gut zu schlafen?
Wozu leben? Wozu handeln? Um gut zu schlafen?
Nein, es war wohl ein Witz.
VIER! AUS TIEFEM TRAUM BIN ICH ERWACHT.
Der Traum sei der Hüter des Schlafes, so Freud.
Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, so Goya
besser, die Vernunft nicht schlafen zu lassen.
Libido, der Lebenstrieb gegen Thanatos, den Todestrieb.
Der Sinn des Seins die Rückkehr in leblosen, anorganischen Zustand?
Ein Erwachen aus dem Traum des Lebens?
Hat der Mensch einen Trieb zur Wahrheit?
Oder einen Trieb zur Lüge?
Gibt es die Sprache nur um einander zu täuschen?
Traum und Rausch als Formen der Entgrenzung
sollen nach Nietzsche alle künstlerischen Akte fundieren.
Ist es so?
Wo blieben dann Rationalität
die nüchterne Kalkulation
die intendierte Wirkung?
Die uns zur Erkenntnis führen?
Geschwurbel, auch ein verehrter Denker ist davor nicht gefeit.
Dionysisches Geschwurbel.
Fand ich schon reichlich enthalten
in Ihrer „Geburt der Tragödie“ enthalten, Meister. Mit Verlaub.
Schon gut: ein Jugendwerk.
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FÜNF! DIE WELT IST TIEF!
Weniger Logik, mehr Traum! Im Ernst?
Und was ist jetzt tiefer?
Die Mitternacht? Der Traum? Die Welt?
Die Welt ist es, die tiefer ist als der Tag gedacht.
Weltläufigkeit als Voraussetzung des Erkennens.
Ja, die Globalisierung, state of the art der Zivilisation
heute gern ideologisch verteufelt als „Globalismus“.
Und Weltliteratur, schon von Goethe in Stellung gebracht
gegen heutiges „Cancel Culture“.
„Wer soll der Erde Herr sein?“
„O Mensch!“ – du, der Herr der Erde?
Sie mittels Bio-Engineering weiterhin in den Griff bekommen?
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SECHS! UND TIEFER ALS DER TAG GEDACHT.
Tiefer als die platonische Höhle?
Als die Wirklichkeit, draußen im Sonnenlicht?
Nietzsche als Zerstörer der Vernunft?
Nietzsche habe den Begriff der Tiefe festgehalten
und zugleich negiert (Adorno).
Das wache Bewusstsein – bloß ein Traum für Nietzsche?
Hat auch ein kritischer Geist mal vorbeigedacht
am „Geheimnis“ der Welt?