DROGE / LEBEN (Auszug)

(aus meinem Essayband „Droge / Leben“, Wien 2000, Libro Verlag)

Alfred Zellinger
Flash

Welche literarische Form dem Thema ”Drogen” adäquat ist?
Gewiß nicht die der betulichen Aufklärung, der gutmeinenden Ratschläge.
Eher Zynismus. Ein passender Beginn für einen Text wie diesem wäre also

Heroin macht die Mädchen schön schlank.

Drogenkonsum hat mit kindlichem Glück, mit Glückseligkeit zu tun; weshalb auch die Märchenform adäquat wäre.

§§§

Wenns nicht auch tragisch wäre, wärs reichlich komisch:
wie die schönen Mädchen durch das Gift ihre Zähne verlieren
wie sie zu sind, lallen und knieweich taumeln und sich bekleckern und
wie sie beim Rauchen wegtrickern, bis die Zigarette ihnen aus der Hand fällt und die Glut ihnen Löcher in die Haut brennt und
wie sie nach einem stationären Entzug, in dem sie sich in Wochen runtergekracht  haben, sofort wieder den nächsten Dealer aufsuchen um sich zuzumachen, mehr als zuvor und
wie sie im Gefängnis zum Harntest das Kaffeewasser abgeben – und die Beamten merken es nicht usf.

Ja, die Drogenszene ist auch komisch – und ein Merkmal jeder guten Komödie ist, daß sie zugleich etwas Tragisches in sich hat.

Jaja, es gibt gute Gründe, Drogen zu nehmen:

Weil alle was nehmen
Weil man schon immer was genommen hat
Weil man schlecht drauf ist
Weil man gut drauf ist
Weil wir keine Zukunft haben
Weil ohnehin alles egal ist
Weil man Gusto hat
Weil das Wetter so schlecht ist
Weil die Welt/die Gesellschaft/die Politik/die Wirtschaft so schlecht sind
Weil man das Leben sonst nicht aushält
Weil die Börsenkurse fallen
Weil das Wetter schön ist
Weil die Börsenkurse steigen
Weil man dann besser schlafen kann
Weil man dann besser wach bleibt
Weil die Musik hier super ist
Weil die Musik hier mies ist
Weil man keinen Job findet
Weil es so fad ist
Weil man Streit mit den Eltern/dem Freund hatte usf.

§§§

Nahezu graziös verrichtet V. ihr blutiges Ritual: Sie schüttelt etwas vom Braunen  auf den Löffel, gibt Wasser aus der Spritze dazu, kocht es auf, zieht die Flüssigkeit durch einen Zigarettenfilter auf, schlingt den Gürtel um den Arm, klopft sich eine Vene auf, wählt dann mit Bedacht eine Stelle, die Zugang zu Blutbahn und Gehirn verspricht, sticht zu und läßt ihr Blut sich mit dem Wasser der Spritze mengen, versucht, Stoff in die Blutbahn zu drücken, hält inne, sticht dann der Reihe nach in Handgelenk, Finger, Handrücken, Unterarm. Blut tropft zu Boden, die Nadel ist stumpf geworden, sie wechselt die Spritze, sticht wieder zu. Jetzt ist es geglückt. Sie läßt die Spritze los, die schaukelnd stecken bleibt, löst den Gürtel, drückt den Kolben der Spritze zügig hinein. Dann wirft sie den Kopf zurück, verschließt mit den Händen beide Ohren, genießt den Flash mit geschlossenen Augen und dem Gesichtsausdruck eines glücklichen Kindes.

Anders E.: Schmerz, Verzweiflung, Panik; quälende Kopfschmerzen vom letzten, verunreinigten Stoff, ein Schüttler, ihre Hände zittern, sie sticht zu, daneben, auf ihrem Unterarm hat sich bereits eine zwanzig Zentimeter lange Straße gebildet  – Stich neben Stich, eine einzige, lange Narbe. Vergeblich sucht sie nach einer intakten Vene, immer wieder sticht sie zu, weint, fleht, betet, versucht es wieder und wieder, drückt dann endlich doch ab um resigniert festzustellen: Alles verschossen! Nur ein paar Körnchen blieben auf dem verbogenen Löffel, zu wenig, es noch einmal zu versuchen, damit den Schmerz zu lindern. Sie muß wieder hinaus, den nächsten Schuß aufstellen…. „Was soll ich sonst machen“ sagt sie.
Wie sie ihn um seine ausgeprägten, intakten Venen beneidet: Wie leicht könnte ich dahinein meine Medizin abdrücken, sagt sie.
A. genießt die Droge, E. hat davon meist nur den Schmerz.

Familienidylle: Mann und Frau sitzen in bequemen Fauteuils einander gegenüber, er liest ein Buch, sie drückt sich indessen so entspannt wie genüßlich Heroin in die Venen
Du drückst ab, statt wie andere Frauen etwa zu stricken, sagt er.
Immerhin, sagt sie; mit Nadeln hat es auch zu tun, was ich mache…
und ich koche sogar…
Ja, du kochst dir was auf, genaugenommen.

Sie witzeln über ein imaginäres ”süchtiges Baby” in ihrem Bauch, das jetzt wieder energisch seine Mutter tritt, weil es seine tägliche Ration Koks haben möchte.

Sie bleibt lieber hungrig, weil sonst die Tabletten nicht wirken.

Hand in Hand gehen sie ins Labor zum HIV Test; holen am nächsten Tag das Ergebnis ab, öffnen die Kuverts im Stiegenhaus.

Sie steht über ihm, versucht, sich mit der Spritze in der Leistengegend zu penetrieren; es fällt ihr schwer, eine geeignete Blutbahn zu finden, ihre langen, muskulösen Beine zittern, ihr Blut tropft auf ihn herab. Als sie es geschafft hat, läßt sie sich auf ihm nieder. Was war ihr jetzt die eigentliche Penetration?

Den Opernball besucht er diesmal mit der süchtigen S.; auf der Treppe begegnet er einem Studienkollegen, den Minister, küßt dessen Frau die Hand, der Minister tut dasselbe bei S.  Small talk.
Später S.: ”Ich pack  es nicht. Gestern stand ich noch bumm-zu  am Karlsplatz, heute bin ich mit dir auf dem Opernball und ein Minister küßt mir die Hand…
Ja, und die Polizei, die dich gestern noch verfolgt hat, sorgt sich heute um deine Sicherheit.

Ehe sie zum Empfang gehen, braucht sie unbedingt noch einen Schuß;  sucht dazu ein U-Bahn-Klo auf, das sie in ihrem Cocktailkleid, in Pumps und mit der Abendtasche betritt. Selten wohl, daß ein Junkie hier in diesem Outfit verkehrt.

Wieder zurück teilt sie ihrWeißes  und ihrBraunes  in Portionen, die sie im Lauf der Nacht abdrückt. Die Zeit nutzt er, der nichts nimmt, sich Videos reinzuziehen  -die hier, statt wie sonst von Werbung, von Sex unterbrochen werden. Sowohl vom Hohen  als auch vom Tiefen  läßt sie letztlich die Hälfte übrig –  eine Leistung für die er sie ausdrücklich lobt.
Sie betont, daß sie jetzt weniger konsumiere als früher, was sie ihm verdanke; sie habe etwas, das sie ablenkt…
Der Sex? Ein wenig. Die Liebe? Vor allem.

Seine einzigen Rivalen bei dieser Frau heißen Heroin und Kokain.

Kaum ein Abendessen in einem Lokal, das sie nicht durch einen mindestens viertelstündigen Aufenthalt auf dem Klo unterbricht, wo sich dann eine Warteschlange bildet, während sie abdrückt.

Ihr Methadon-Fläschchen nimmt sie stets mit, wenn sie abends ausgeht und nicht weiß, wo sie morgens aufwachen wird.

Sie bittet ihn um Geld für Stoff.
Eher gebe ich deiner Hauskatze was als dir, sagt er; aber das wäre dann wohl Tierquälerei.

Großer Streit, endgültiges Zerwürfnis: Sie hat gedacht, weil Weihnachten ist, gibts Schnee. Und war dann tief enttäuscht -wie eine reiche Tussi, die von ihrem Mann zu Weihnachten nicht den erhofften Diamanten bekommen hat.

Wenns doch nur ein Mittel gegen die Sucht gäbe, sagt sie, etwas, das ich einfach einnehmen muß, um nie wieder was zu brauchen. Warum gibt es  nicht Drogen gegen Drogen? Die gibt es ja, sagt er; und sie sind ein gutes Geschäft. Ein legales dazu.

Du holst dir deinen Flash beim Sport, sagt sie, also wirf mir nichts vor.
Das ist allerdings legal, sagt er -und nicht ungesund… Und außerdem bist du sex-süchtig, insistiert sie.

Du sagst, Heroin bringt das totale Glücksgefühl. Das mag stimmen, aber bloß für Minuten; Euphorie, die man sich im Leben selbst holt, hält länger. Du sprichst von Wohlbefinden durch Chemie, ich spreche vom Leben.

Wie ein Paket stellt er sie, die wieder völlig zu  ist, vor dem Haus ihrer Mutter ab, die nimmt sie schweigend hinein in die Wohnung.

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Droge Tanz: Meist trifft er M. gegen acht, gegen neun haben sie gegessen und gehen  – bei lauter Popmusik, wonach sie ultimativ verlangt – ins Bett. Spätestens gegen elf beginnt sie, noch im Bett sitzend, zu tanzen und er weiß: Höchste Zeit, sie in ihrer Diskothek abliefern. Das letzte Jahr habe sie erlebt wie in einem Fantasyland, sagt sie; mit Musik, Tanz, Ecstasy und LSD. Beim Spazierengehen hatte sie Optiken , sah rosa Elefanten neben und ihren Vater hinter sich. Sie erinnert sich sonst an nichts.

Was für ein Unterschied zwischen einer Persönlichkeit wie I., der Drogen zur Bewußtseinserweiterung nimmt, sie in seine Arbeit integriert -und einem Heroinjunkie, der seine Droge benutzt, um zum gegenteiligen Resultat zu gelangen, sich zuknallt sooft es geht.

Der brennende Wunsch, geliebt zu werden, hat viele Formen: etwa die Sucht nach gesellschaftlicher Anerkennung, die Mediensucht, die Ehrsucht – und zeigt sich oft unverhüllt bei Politikern, Künstlern…

Ja, auch Schreiben kann süchtig machen – wie alles Forschen, alle Sehnsüchte.

Es ging irgendwie schleichend mit meiner Sucht, erzählt sie. Erst hab ich zum Alkohol Rohypnol genommen. Dann wollte ich ausprobieren, was die andern nahmen: Heroin. Erst nur am Wochenende. Dann ist der Donnerstag dazugekommen, dann der Mittwoch, dann jeder Tag. Ich habe bei meinem Freund gewohnt. Aber unter Junkies gibts keine Beziehung. Irgendwann fängt jeder jeden zu linken an, wenn man mehr Stoff braucht. Er hat mir seine Pistole an die Schläfe gesetzt, weil er geglaubt hat, ich hätte den ganzen Stoff verbraucht. Dabei war  e r  es. Wenn man auf Entzug ist, hat man nur einen Gedanken: Stoff und Geld. Ich hab einiges getan für Geld.

Ihr Arzt ist Anhänger der offensichtlich überholten „Leidensdrucktheorie“, meint, es sei nachteilig, einer Süchtigen das Unangenehme des Drogenkonsums durch gutes soziales Ambiente zu mildern. Als ob unangenehme Umstände bei Süchtigen, denen alles egal ist, außer der nächsten Dosis, eine Rolle spielen. Sie brauchen zum Abdrücken keine Villen; stundenlange Aufenthalte in schmutzigen U-Bahn-Klos werden verklärt gesehen, V. wies etwa darauf hin, daß diese ohnehin geheizt seien, außerdem besuche sie zum Abdrücken meist Nobelhotels, die Toiletten im Hilton seien zum Beispiel aus Marmor…

Beziehungsvoller Tod: Zivilfahnder verhaften einen Dealer auf offener Straße, der versucht, die Kugeln mit Kokain, die er im Mund aufbewahrt, zu schlucken. An einer dieser Kugeln erstickt er.

In Rotterdam wurde, konnte man in  den Blättern lesen, vom Staat das erste Altersheim für Drogenabhängige eröffnet. Die Junkies der Sechziger, soweit übriggeblieben, haben das Pensionsalter erreicht – endlich eine Zukunftsvision.

Bei einem Test über die Wirkung von Kokain wurde Laborratten die Wahl gegeben zwischen Nahrung und Kokain. Die Ratten wählten stets Kokain – und verhungerten.

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Aus Briefen an  eine – wegen Beschaffungskriminalität verurteilte – Gefangene:
…wie gehts übrigens deiner Mitgefangenen, der Bankräuberin? Wieder eine Ironie des Lebens, die man nicht erfinden, sondern nur  f i n d e n  kann:
Ihr habt offenbar beide ein Naheverhältnis zu Banken – sie wollte eine ausrauben und du bist mit einem Banker befreundet. Was an den Satz von Bert Brecht erinnert: „Was ist schon ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank!“. (An diesem Satz soll die halbe Belegschaft der Anstalt moralisch sich emporgerankt haben.)

Man lerne sehr viel im Gefängnis, sagst du; und was könnte man dort besser lernen, als Tricks gegen die Polizei…. Gut, und alle jene, die dabei soviel gelernt haben, treffen einander ja bald wieder im Gefängnis und können dann noch mehr lernen.

Nur die andern hätten Probleme mit deiner Sucht, sagst du; du nicht, du hättest sie akzeptiert. Was für ein Selbstbetrug! Was heißt, seine Sucht akzeptieren? Dealen unter anderen Kriminellen  – akzeptiert? Seine Schönheit letztlich doch verlieren, die Gesundheit sowieso – akzeptiert? Sich prostituieren zu müssen -akzeptiert? Die täglichen Demütigungen durch Dealer, Polizisten, Richter, Justiz- und andere Beamte, Ärzte – wirklich akzeptiert?

§§§

Es sind Engel in der Stadt
die riechen nach Escape von CK
und gleitfähigem Gummi.
Kokain macht sie sinnlich
und Morphium umgänglich – weich.
Ihre Zungen sind rauh, sie haben Blut an den Armen
und Wunden, die man nicht sieht.
Sie ficken sich mit Spritzen in U-Bahn-Toiletten,
ihr täglicher Orgasmus heißt Flash.
Sie sind die Huren ihrer Dealer
und träumen dabei
von einem neuen Leben.

Ihr erfolgreicher Freund, der sich dieses schöne, süchtige Mädchen hält wie ein rassiges Haustier, es sich einkaufte wie einen neuen Anzug und die hübscheren ihrer Freundinnen gleich mit dazu, wird ihr einen neuen Zahn finanzieren.

Es sind die „Mädchen mit den gesenkten Köpfen“, dem Bild nach, das sie in den Lokalen, Straßen, Parks abgeben: Sie lassen die Köpfe hängen, geknickt, gebrochen.

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Albern, Haschisch zu verbieten, die Droge Alkohol aber zu erlauben. Wenn es soviele Hanfbauern gäbe wie Weinbauern und Brauereien wärs wohl umgekehrt. Haschisch macht weder süchtig noch ruiniert es den Körper wie der Alkohol.

Daß der Konsum von Drogen verboten ist, widerspricht auch der Logik des Rechtssystems, das sonst keinerlei Selbstbeschädigung unter Strafe stellt – nicht einmal den Selbstmord(versuch).

Haschisch oder Marihuana sind keine Einstiegsdrogen; werden allerdings – da sie illegal sind- meist durch Dealer vertrieben, die auch die harten Drogen anbieten. Und in deren geschäftlichem Interesse liegt es, ihre Kunden zu den lukrativeren harten Drogen zu verführen. Market making mit legistischer Unterstützung könnte man das nennen.

Die kontrollierte Legalisierung der heute illegalen Drogen  ist nicht nur eine Methode, Dealern das Geschäft zu verderben. Das Zeug kostet in der Herstellung ja nur einen Bruchteil der Schwarzmarktpreise, womit weitgehend auch die Beschaffungskriminalität wegfiele; dazu wäre wohl ein Großteil der Unfälle wegen Falschdosierung zu vermeiden.

Dafür sollten die Drogen Alkohol und Nikotin, wie andere Drogen auch, nur in Apotheken und nach ärztlicher Verschreibung abgegeben werden.

Mit ihrer Freigabe würde man den Drogen ihren Mythos nehmen. Was erlaubt ist, ist ja nur mehr halb so interessant. Viele Süchtige produzieren sich bewußt in aller Öffentlichkeit mit ihrem Hobby; kein Zufall, daß es immer besonders belebte Plätze sind, wo sie sich in ihrem Elend besichtigen lassen. So ein Pech: da glaubt dann einer, mit seinem Drogenkonsum zu schockieren, will sich in seinem Elend provokant darstellen – und niemanden interessiert das mehr, nicht einmal die Polizei.

Das Drogenproblem wird derzeit auf die dümmstmögliche Weise gehandhabt, so, daß der größtmögliche Schaden entsteht. Die Haltung unserer Gesellschaft zu Drogen scheint ähnlich heuchlerisch zu sein, wie die der katholischen Kirche zum Sex.

Süchtige sind keineswegs, wie viele meinen, undiszipliniert, unterwerfen sich im Gegenteil äußerster Disziplin: Der Beschaffungszwang strukturiert streng ihren Alltag. Der Nutzen dabei ist: Ihr Alltag kostet sie soviel Energie, daß kein Raum mehr für anderes bleibt, quälende Sinnfragen werden gar nicht erst gestellt; sie sind damit entlastet von den Mühen individueller Freiheit.
Und das Räuber- und Gendarmspiel mit der Justiz täuscht sie über die Leere des Lebens hinweg.

Heroinkonsum bietet seinen Konsumenten ein Modell von Fehlverhalten, schafft damit Ordnung im sonst herrschenden Chaos. Persönliches Leid kann so in einer strukturierten, vorgegebenen Form ausgelebt werden. Liberalisierung würde diese Wirkung sabotieren und damit die symbolische Bedeutung des Drogenkonsums aufheben.

Mythos des Verbotenen: Sie würden sich Lebertran injizieren, wenns illegal wäre.

Heroin wird konsumiert, weil es ein Schutz vor jeder Art Schmerz ist. Ein psychischer Panzer.

Süchtige sind keine Rebellen, sondern Angepaßte, sabotieren allerdings selbst mit Konsequenz und Akribie ihre Chancen in der Gesellschaft.

Unbewußt verlängern sie mit ihrer Sucht die Abhängigkeit von den Eltern, verwandeln ihre Ohnmacht in Macht; die Eltern, die Partner werden ebenso machtlos und hilflos gemacht wie sie selbst sich fühlen. Sie kränken, weil sie selbst gekränkt werden -eine der wenigen Gemeinsamkeiten von Suchtkranken: Sie sind außerordentlich leicht gekränkt, auch ohne ersichtlichen Grund.

Wenig sinnvoll, in den Kindheitsgeschichten der Süchtigen nach Erklärung für alles zu suchen. Sie sind zu unterschiedlich. Gewiß: Vernachlässigung ist ein Anfang. Heroin sei eine Droge des Ausgesetztseins, so Burroughs; ja, es sind signifikant oft ausgesetzte, verlassene Wesen.

Unangenehmer Verdacht: Gibt es doch eine genetisch bedingte Anfälligkeit für Drogenkonsum?

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Mit Drogen umgehen können?

Die Journalistin G. hat alles probiert. Wenn sich Gelegenheit ergibt, an gutes Heroin zu kommen, greift sie zu und kauft, überzieht dafür ihr Konto. Hat sie dann z.B. zehn Gramm erworben, verteilt sie den Stoff auf Wochen und Monate, genießt ihn zu passenden Anlässen. Im Beruf funktioniert sie gut; ihr Lebensstil ist – vor allem der Drogen wegen – bescheiden, sie besitzt nur eine kleine Wohnung und ein altes Auto.

Die Managerin H. ist erfolgreich, verdient ausgezeichnet. Sie leistet sich an den Wochenenden Kokain, ist jedoch so diszipliniert, daß während der Arbeitswoche davon nichts zu spüren ist. Ihr hohes Einkommen würde ihr eine größere Wohnung, Schmuck, alle paar Jahre einen neuen Luxuswagen etc. erlauben, der Drogen wegen verzichtet sie darauf. Ihre Kreditkarte kann sie seit langem nur noch fürs Zerkleinern von Kokain gebrauchen.

Der erfolgreiche Schriftsteller I. kifft regelmäßig; unter der Wirkung der Droge schreibt er. Ein Teil seiner Texte entstand auf diese Weise. Haschisch eigne sich gut für seine Arbeit, sagt er; mit Kokain würde es nicht funktionieren. Er konsumiert dazu regelmäßig Alkohol, wenn auch nicht in zerstörenden Mengen..

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Abschied1:

Er: Ja, wir sehen uns wieder; hier in unserem Café. Nach deiner Therapie, wieviele Monate sie auch dauert.
Sie: Ja, nach meiner Therapie in unserem Café. Um acht, wie immer.

Abschied2:
Wieder eine Leiche im U-Bahn-WC:
eine junge Frau, entblößt, die Spritze noch im Unterleib,
vom Entzug vorzeitig heimgekehrt.
Ihr Abschiedsbrief:
Danke Geliebter, für deine Geduld,
verzeih mir, ich schäme mich so.

Abschied3:
Du warst so clever, Vanessa,
hast selbst gecheckt und Geld gemacht,
man hat dich nie des Dealens überführt,
so hast du klug deinen Tod selbst finanziert

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